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Archiv 2007

Das erste Wirkende ist das Sein des Erziehers,
das zweite, was er tut und das
dritte erst, was er redet.

(Romano Guardini)


Anlässlich der am 7. Februar 2007 durchgeführten 13. Hauptversammlung des Aikido-Clubs Lübeck e.V. hat Meisterin Helga Brand, 5. Dan Aikido, gemeinsam mit ihrem Ehemann Rolf Brand, 8. Dan Aikido, den Weg des Aiki beendet. Dieser vor einem Jahr angekündigte Schritt wurde von vielen Aikidoka sehr bedauert, weil mit Helga eine überaus qualifizierte und sympathische Meisterin die Tatami verlässt. Gleichwohl hatten sie Verständnis für die getroffene Entscheidung.

Helga war eine erfolgreiche Leichtathletin (Kugel, Diskus, Speer und Schleuderball) bevor sie im Lübecker Judo-Club e.V. mit dem Judo begann. Den 5. Kyu Judo erwarb sie am 1. Dezember 1966. Als 1. Kyu Judo wechselte sie 1966 zum Aikido und wurde am 7. Juli 1967 von Meister Gerd Wischnewski (damals 2. Dan Aikido) auf den 5. Kyu Aikido graduiert.

In der Sektion Aikido des Deutschen Judo-Bundes e.V. bestand Helga am 25. April 1971 als erste Frau in Deutschland die Prüfung zum 1. Dan Aikido. Im Alter von 60 Jahren stellte sie sich am 11. November 1995 einer Prüfungskommission des Deutschen Aikido-Bundes e.V. und erwarb den 5. Dan Aikido. Damit war sie die höchstgraduierte Frau in Deutschland und wurde ihrer Vorbildfunktion einmal mehr gerecht.

Es spricht für die Bescheidenheit und die klaren Vorstellungen dieser Meisterin vom Wesen des "harmonischen Weges", dass sie in der Folgezeit wiederholt eine sicher verdiente Ehrung durch Verleihung des 6. Dan Aikido abgelehnt hat.

Ihrem dynamischen Wesen entsprechend bevorzugte Helga das praktische Studium des Aikido und das damit verbundene Miteinander auf und neben den Tatami. Die vielen Lehrgangseinträge in ihren Aikido-Pässen der Sektion Aikido des Deutschen Judo-Bundes e.V., des Deutschen Aikido-Bundes e.V. und der Aikido-Union Deutschland e.V. sind ein Beweis für diese Feststellung.

In den vergangenen fast 40 Jahren förderte Helga auf Vereins-, Landes- und Bundesebene neben den Erwachsenen im besonderen Maße und sehr erfolgreich die Kinder und Jugendlichen. Ihre im September 1995 zur Prüfung auf den 5. Dan vorgelegte Zulassungsarbeit "Aikido aus der Sicht der Kinder" ist eine Auswertung und Beurteilung umfangreicher und aussagefähiger statistischer Daten, die auf einer bundesweiten Befragung von Kindern und Jugendlichen basieren, die aktiv Aikido betrieben.

Helga leitete während ihrer gesamten aktiven Zeit zunächst im Lübecker Judo-Club e.V., anschließend in der Bramstedter Turnerschaft von 1861 e.V. und zuletzt im Aikido-Club Lübeck e.V. eine Trainingsgruppe für Erwachsene sowie das Kinder- und Jugendtraining. Die starken und gut besuchten Gruppen waren ein Beweis für ihren Idealismus und ihr Einfühlungsvermögen, aber auch für ihre Akzeptanz und die gelebten Prinzipien des Aikido. Daneben überzeugte die Meisterin aber auch auf Landes- und Bundeslehrgängen. Durch ihr langjähriges Wirken entwickelten sich viele Aikidoka, die im Kindertraining bei ihr begonnen hatten, zu Aikido-Meistern und Meisterinnen, die heute selber zur Verbreitung der Lehre und Technik des harmonischen Weges beitragen.

Auf Bundesebene war Helga sowohl in der Sektion Aikido des Deutschen Judo-Bundes e.V. als auch im Deutschen Aikido-Bund e.V. und in der Aikido-Union Deutschland e.V. ein anerkanntes Mitglied der Technischen Kommissionen. Für ihr vorbildliches ehrenamtliches Engagement und ihre Aktivitäten wurde Helga vielfach geehrt. Einzelheiten können dem nachfolgenden sportlichen Lebenslauf entnommen werden.

Helga verkörpert in hohem Maße die positiven Einflüsse, die ein langjähriges und fleißiges Studium des Aikido auf einen Menschen haben kann. Sie hat bis zum Ende ihres Weges an vielen Aikido-Lehrgängen teilgenommen und beeindruckte alle Aikidoka mit ihrer Dynamik, ihrem vorbildlichen Fleiß und der positiven Ausstrahlung, mit der sie sich trotz ihres Alters auf den Tatami bewegte. Als Lehrerin zog sie mit ihrer Begeisterung für das Aikido alle Teilnehmer in ihren Bann. Nach dem Motto: "Wir machen alles freiwillig!", führte sie die Aikidoka mit einer schwungvollen, gesundheitsfördernden Gymnastik und den spielerisch wirkenden, aber wirksamen Aikido-Techniken schnell an die Leistungsgrenzen.

Durch die exakte Ausführung der Elemente und Techniken des Aikido und durch ihr ganzheitliches Wirken hat Helga eindrucksvoll bewiesen, wie sehr die konsequente Umsetzung der Aikido-Prinzipien auch im Alltag den positiven Charakter eines Menschen bestimmt. Sie lebte das Prinzip Ai (Liebe, Harmonie, Natürlichkeit) und ich kenne nur wenige Menschen, die so eine offene und warmherzige Ausstrahlung wie Helga haben und ihren Mitmenschen in der "Sprache des Herzens" begegnen. Gleichzeitig scheint Helga über ein nahezu unerschöpfliches Ki zu verfügen, das sie immer auch im Sinne des Aikido eingesetzt hat. Ihr Charakter wird auch durch die ihr eigene Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Verbindlichkeit geprägt, mit denen sie jedem begegnete, wobei sie bei Meinungsverschiedenheiten immer eine harmonische Konfliktlösung anstrebt hat. Jeder, der Helga auf der Matte oder im Alltag erlebt hat, kennt ihre wohltuende Ausstrahlung und Spontaneität.

Neben der Erfüllung ihrer eigenen ehrenamtlichen Aufgaben hat Helga als Aikido-Meisterin ein hohes Maß an Selbstlosigkeit bewiesen. Als Ehefrau von Rolf Brand, der sein Leben der Entwicklung und Verbreitung des Aikido widmete, hat sie ihm unter Zurückstellung privater Interessen den zur Erfüllung seiner umfangreichen organisatorischen, administrativen und technischen Aufgaben notwendigen Freiraum gegeben. Gleichzeitig hat sie ihn in schwierigen Situationen ermuntert, an die prägenden Inhalte des Aikido zu glauben und sein Engagement für das Aikido fortzusetzen.

Helgas fast 40-jähriger Einsatz für das Aikido auf der Matte und bei den zahlreichen freiwillig übernommenen Aufgaben, hat viele Aikidoka beeindruckt und motiviert, den "Weg zur Harmonisierung der geistigen Energie" selbst zu gehen und nach besten Kräften zu fördern.

Alle Mitglieder der Aikido-Union Deutschland e.V. (AUD) sind über Helgas Entscheidung, ihren Weg des Aiki zu beenden, sehr traurig und werden sie als strahlenden Stern am "Aikido-Himmel" sehr vermissen. Sie bedanken sich mit mir ganz herzlich für alles, was Helga zur Förderung des Aikido und für uns getan hat.

Wir wünschen Helga Brand für die Zukunft alles erdenklich Gute, vor allem beste Gesundheit und eine bleibende körperliche Fitness, die ihr noch lange ein sportliches und aktives Leben ermöglichen möge.


Dr. Stephan Gronostay
Präsident der AUD